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Die Grenzwissenschafterin

Zu Besuch bei einer Astrologin im Bruggwald-Quartier
Die Kraft, die hinter den Dingen steckt, ist Elisabeth Keels Leidenschaft. Als Astrologin berät sie Menschen, die sich besser kennenlernen möchten.

Die Haustür ist offen. «Bei uns braucht man die Schuhe nicht auszuziehen», sagt Elisabeth Keel. Sie macht einen kleinen Rundgang durchs Haus und führt uns ins obere Stockwerk. Die Holztreppe knarrt bei jedem Schritt. «Wie ein Ferienhaus», sagt sie. In ihrem Schlafzimmer hängt Salbei von der Decke. Das sei gut gegen ihre momentane Erkältung. Wieder unten im Erdgeschoss stehen wir im Wohnzimmer. Überall sind Karten aufgehängt. Farbige Bilder und Fotos von Freunden und der Familie. Im Haus findet sich an jeder Ecke ein Plätzchen mit Muscheln, kleinen Engeln und Kerzen. Ein Kristall, der in allen Farben glitzert, hängt neben dem Küchentisch. Hier ist ihr Lieblingsplatz, an dem sie häufig liest. Momentan ist es ein Buch von Franz Hohler. Auf der Küchenablage liegt ein weiteres Buch: «Leben» von Paulo Coelho.

Nicht fassbar

In der Küche fällt der Blick auf einen Zettel mit einem Spruch, der am Kühlschrank befestigt ist: Klage nicht, klage über gar nichts, klage nicht mal im Stillen. «Ein ganz guter Spruch», findet Elisabeth Keel. Als sie Ingwer-Tee einschenkt, kommt auf dem Untersatz noch ein Spruch zum Vorschein: In meinem Leben läuft alles bestens. «Ein gesunder Tee, wenn er darauf steht», sagt sie und trägt Krug und Gläser nach draussen auf die Terrasse. Der Blick in den Garten ist herrlich. Ein Ahornbaum mit roten Blättern leuchtet in der Sonne. In einem Beet sind Salat und Kräuter angepflanzt: Thymian, Salbei, Rosmarin und Lavendel.

Wir setzen uns an den ovalen Tisch. Elisabeth Keel sitzt in der Sonne. Sie trägt roten Lippenstift und ein korallenfarbenes Hemd. Es ist kein Zufall, dass auch ihr Bettanzug orange ist. Rottöne seien ihre Lieblingsfarben. Intuitiv ausgewählt. Bei genauerem Hinschauen würden sie wahrscheinlich auf die Sternen-Konstellation passen. Elisabeth Keel ist fasziniert von Dingen, die spürbar, aber nicht fassbar sind. Ein Freund hatte mal zu ihr gesagt, sie sei eine Grenzwissenschafterin. Um ihren Hals trägt sie eine rot-braune Mondsteinkette. Es ist der Stein der im Sternzeichen der Fische Geborenen: Elisabeth Keel ist Astrologin.

An Erfolge erinnern

Häufig kämen junge Menschen zu ihr, die in der Berufswahl unsicher sind. Ihre Erfahrung zeigt, dass viele Menschen einen Erstberuf auswählen, mit dem sie ein Defizit aufholen können. Sie beginnt von ihrer eigenen Laufbahn zu erzählen. Sie war ein feinfühliges Kind. Sehr belesen. Schauspielerin wollte sie werden. Ärztin, Dolmetscherin oder Flight Attendant. Stattdessen hatte sie einen analytischen Beruf gewählt und eine Banklehre absolviert. Trotzdem war sie Bänklerin mit Leib und Seele. Bis sie genug hatte. Dann wechselte sie in die Informatikabteilung einer grossen Unternehmung. Sie gab Schulungen im Bereich Informatik. Heute gibt sie Kurse in Kommunikation, Rhetorik und Arbeitstechnik und macht Coachings und Beratungen. Sie berät Leute, die in ihrem Leben nicht mehr weiter wissen. Ganz konkret: Menschen etwa, die Angst haben, einen Vortrag zu halten. In diesem Fall sei es wichtig, der Person ein Gefühl von Erfolg zurückzugeben. Das gelingt ihr, indem sie an persönliche Erfolgserlebnisse aus der Vergangenheit erinnert. Die Leute sehen sich vielleicht nochmals auf dem Siegertreppchen nach einem Skirennen. Sie ist überzeugt davon, dass die Menschen im Innersten wissen, was richtig ist. Sie könne nur Inputs geben. «Wenn es in mir innerlich klatscht, bin ich auf dem richtigen Weg».

Ganz sachlich

Sie selber richtet ihr Leben nur bei wichtigen Entscheidungen nach astrologischen Konstellationen aus. Bei einer Knieoperation hat sie den Mond-Stand angeschaut. Bei Geschäftseröffnungen, Verträgen oder der Heirat seien gewisse Zeitpunkte günstiger als andere. Nach dem tagesaktuellen Horoskop würde sie ihr Leben aber nie ausrichten. Manchmal sitze sie auch einfach am Tisch und schreibe die positiven und negativen Aspekte einer Entscheidung auf und handle dann ganz sachlich. Punkt.

Copyright St. Galler Tagblatt, Nadine Rechsteiner, Ausgabe vom 26.10.2007